Das Fediverse: Eine lebendige und moderne Alternative zur bisherigen Social Media-Landschaft

Das Fediverse: Eine lebendige und moderne Alternative zur bisherigen Social Media-Landschaft

Als ich vor ein paar Jahren über Mastodon stolperte, war das Fediverse bereits ein guter Ansatz, um die völlig verkommene Social Network-Landschaft wieder mit frischem Wind zu versorgen.

Basierend auf dem ActivityPub-Protokoll ist Mastodon natürlich nicht der einzige Player, der Hoffnung auf föderierte und dezentralisierte Netzwerke machte und diese Karte über die Jahre meiner Meinung nach absolut ausgespielt hat. Nachdem ich mich im zweiten Anlauf dann mit meiner eigenen Instanz beschäftigt hatte, habe ich auch zwei weitere großartige Dienste entdeckt, die für mich zu Grundfesten des Fediverse geworden sind.

Diese möchte ich Euch nicht vorenthalten, auch wenn ihr sie möglicherweise schon kennen werdet – ein Blick über den Tellerrand lohnt sich aber dennoch auf jeden Fall!

Pixelfed

Nachdem ich Instagram im Dezember 2022 endgültig den Laufpass gegeben habe, habe ich es mit Pixelfed versucht: Entdeckt hatte ich diesen Dienst bereits Anfang 2021 bei dem Versuch, mich aus den Fesseln von Instagram zu befreien. Sind wir aber mal ehrlich – Pixelfed war damals noch nicht bereit, in die Fußstapfen von Instagram zu treten und ist auch heute noch ein durchaus sprunghaftes Projekt – es tut aber, was es soll. Die Basis war in Ordnung, und wenn man bedenkt, dass es sich bei der Software um „work in progress“ handelt – und sei es auch nur die „kleine“ Version 0.11.6 zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels – hat sich die von Daniel Supernault entwickelte Lösung im Laufe der Zeit stark weiterentwickelt. Ende 2022 kehrte ich dann zurück, probierte ein wenig herum und erstellte schließlich und final eine Instanz, die nach heutiger Betrachtung nicht mehr als ein Spielplatz war. Später wurde sie entsorgt und am 21. April hatte meine nächste Instanz ihre Pforten geöffnet. Während damals der Server selbst in Nürnberg gehostet wurde, waren alle Medieninhalte in einem Wasabi S3-Bucket in Frankfurt platziert, so dass keine Daten außerhalb Deutschlands gespeichert oder verarbeitet wurden. Auch die Lernkurve, den richtigen Weg der S3-Integration zu finden zum damaligen Zeitpunkt zu finden, war durchaus eine Herausforderung.

In der Zwischenzeit hoste ich meine Pixelfed-Instanz auf Docker-Basis von zuhause aus.

So gesehen ist Pixelfed auch heute noch ein Projekt, das sich in intensiver Entwicklung befindet, aber es werden regelmäßig Commits auf GitHub gemacht, die Community ist aufgeschlossen und es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich zu beteiligen. Tausendsassa Dan ist immer irgendwo neben den Coding-Aktivitäten oder seinen (subjektiv empfunden zu zahlreichen Nebenprojekten) mit Hinweis oder einer helfenden Hand zur Stelle. Wenn ihr nicht mit einer eigenen Instanz starten wollt (über die Zeit ist das Self-Hosten durchaus einfacher geworden, auch Docker trägt seinen Teil dazu bei), könnt Ihr Euch auch jederzeit für eine der mehr oder weniger bekannten frei zugänglichen Instanzen entscheiden. Mit der Wahl der Instanz, die Euch gefällt oder Euren Bedürfnissen und Interessen am besten entspricht, ist der Abschied von Instagram nicht mehr das ganz große Problem – zumal auch ein Import möglich ist. Dieser erfordert oft noch ein wenig Nacharbeit und durch Meta’s stetige Änderungen am Export-Format ist der korrekte Import ein klassisches Hase-und-Igel-Spiel, aber bekanntlich ist ja der Weg das Ziel!

BookWyrm

BookWyrm ist eine Lösung, die ebenfalls auf ActivityPub aufbaut und eine sehr gute Alternative für LibraryThing oder GoodReads darstellt. Durch die Verwendung des Protokolls, mit dem Mastodon, Pixelfed und viele andere arbeiten, kann es mit verschiedenen Instanzen von BookWyrm und anderen ActivityPub-kompatiblen Diensten interagieren. Das bedeutet, dass Ihr eine Instanz für Euren Buchclub betreiben und trotzdem einem Freund folgen können, der auf einem völlig anderen Fediverse-Server über anderen buchbezogenen Themen postet. Es bedeutet auch, dass dein Freund auf Mastodon eine Buchbesprechung lesen und kommentieren kann, die du auf deiner BookWyrm-Instanz veröffentlichst.

Vor langer Zeit habe ich meine Bücher mit einer Desktop-basierten Mac-Software namens Bookpedia verfolgt. Als die Bedeutung klassischer Apps abnahm und die Leute sich eher Online-Diensten zuwandten, geriet Bookpedia irgendwie ins Hintertreffen (mittlerweile hat der Entwickler auch eine Auszeit angekündigt). Abgesehen davon, dass ich selbst mehr Hörbücher höre als lese (ein Trend, den ich aus meiner Sicht sogar als unangenehm empfinde), schien sich auch die Entwicklung von Bookpedia zu verlangsamen, und so wurde Ende 2021 die letzte Iteration 6.2.1 veröffentlicht. Die Zeiten haben sich geändert, LibraryThing oder GoodReads als moderne Internet-basierte Dienste sind aufgetaucht, aber als BookWyrm dann dazustieß, machte die Mischung aus selbst gehosteter Datenkontrolle, ActivityPub-Integration und Anbindung an andere Instanzen für Buch-Hintergrunddaten wie ISBN, ASIN, Cover-Artwork etc. das ganze zu einem recht willkommenen Kinderspiel.

Mit dem Hauptzweck, zunächst nur meine Bücherregale zu katalogisieren, habe ich mir die „Mutterinstanz“ bookwyrm.social angeschaut und nachdem ich mir das Aussehen und die Funktionsweise der Lösung „einverleibt“ hatte, ging es bereits im Stil der Mastodon– und Pixelfed-Instanzen hatte direkt in Richtung eigener BookWyrm-Instanz! Die docs sind ziemlich einfach geschrieben und trotz meiner Vorliebe für Docker-basierte Deployments entschied ich mich seinerzeit für die nicht-dockerisierte Version, gepaart mit dem gleichen Wasabi-basierten S3-Speicher-Backend, das auch meine anderen Instanzen versorgte. Abseits davon ist BookWyrm ein idealer und moderner Ansatz für einen Buchlese- und Tracking-basierten Dienst, der das ActivityPub-Protokoll unterstützt: Wenn jemand meinem Account auf BookWyrm von Mastodon aus folgt, sieht er dort, was ich gerade lese (oder höre!) und außerdem kann ich endlich mein eigenes Leseverhalten und die (Hör-)Bücher, die ich besitze, verfolgen respektive katalogisieren!

Mittlerweile ist auch die BookWyrm-Instanz auf eine Docker-Plattform gewandert und wird via Self-Hosting daheim in den eigenen vier Wänden betrieben.

Fazit

Selten zuvor habe ich eine solche Leidenschaft und Freude gespürt, wenn ich über neue Trends im Internet in den letzten Jahren gesprochen habe – oder über das, was vom ursprünglichen Internet, wie es einmal war, übrig geblieben ist. Mit der Föderation, der Dezentralisierung und der zunehmenden Unabhängigkeit von Big Tech und dem Lernen aus (mindestens) dem schleichenden (aber offensichtlich forcierten) Untergang von Twitter haben viele Menschen erkannt, dass sich die Dinge ändern müssen – und eine echte Veränderung war längst überfällig! Vielleicht brauchen wir die werbeverseuchten Streams der gängigen Social Media nicht mehr – vielleicht brauchen wir dort nicht einmal mehr die überladenen und manipulativen Inhalte? Vielleicht ist die Rückkehr zu einem kuratierteren, kleineren Konto mit Inhalten der richtige Weg, um Social Media wieder zu etwas zu machen, das wir nutzen können, anstatt das Produkt (und ergo das Opfer) zu sein?

Leider kommt mit großer Macht auch große Verantwortung und so ist die Moderation von Instanzen (sofern man nicht eine Single-User-Instanz nur zum eigenen Vergnügen nutzt) ein häufiges Thema innerhalb des aktuellen Wachstums. Ohne Zentralisierung gibt es keine einzelne Instanz, die sich darum kümmert, also liegt es vor allem in der Verantwortung des Administrators der Instanz, sich um unerwünschte Inhalte oder Spam etc. zu kümmern – ob man das will oder nicht. Auf dieser Grundlage sollte jeder mit Bedacht die bevorzugte Instanz der einzelnen Dienste wählen und abwägen, ob die Serverregeln den Vorstellungen des jeweiligen Nutzers entsprechen. Während ActivityPub sich seinen Weg durch das Web bahnt, ist auch die Interoperabilität zwischen den Instanzen noch eine Herausforderung: Während Mastodon zumindest die Möglichkeit bietet, einen Account auf eine andere Domain zu verschieben, sind diese Option und vor allem Inhalte wie Beiträge, Likes, Medien etc. in Pixelfed und BookWyrm noch zu integrieren – das Ziel: Niemand, der auf eine andere Instanz wechseln will, soll bei Null anfangen oder alles manuell Stück für Stück neu posten (was aus eigener Erfahrung eine Qual ist!). Davon ist man in der Realität allerdings – und zugegebenermaßen – noch weit entfernt, allenfalls Misskey/Firefish (RIP!) oder Sharkey bieten auch den Import von kompletten Mastodon-Posts an.

Abgesehen davon wächst das Fediversum und es gibt viele Produkte, die darauf warten, von uns entdeckt zu werden. Pixelfed-Gründer Daniel Supernault kümmert sich auch um FediDB, ein Projekt, das die Statistiken für das Fediverse und die einzelnen Softwarelösungen, die es ermöglichen, zusammenfasst. Es gibt eine große Menge an verfügbarer Software und viele Plattformen, die auf neue Nutzer warten – durch die Verwendung des ActivityPub-Protokolls können all diese einzelnen Orte miteinander kommunizieren, Beiträge von anderen Plattformen „liken“ und diese sogar boosten und damit die Reichweite vergrößern. Weniger Gift, weniger Hass, weniger Missverständnisse und die Verbindungen zwischen einzelnen Software-Komponenten, die auf dem ActivityPub-Protokoll basieren, sind dabei, das „klassische“ Internet aus früheren Tagen wiederzubeleben. Ich für meinen Teil hoffe, dass sich dieser Trend noch verstärken wird und die Tür für dezentralisierte soziale Medien vielerlei Art öffnet – und dies hoffentlich abseits der großen Tech-Monolithen, die dagegen altmodisch und langweilig wirken, wenn man sie mit dieser Bewegung moderner, föderierter sozialer Netzwerke im Internet der mittleren 2020er Jahre vergleicht!

Sofern Ihr an einer Vernetzung interessiert seid, findet Ihr meine Profile im Fediverse auf

Mastodon – https://social.pifferi.io/@oliver,

Pixelfed – https://pix.pifferi.io/oliver und

BookWyrm – https://books.pifferi.io/@oliver.

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Veröffentlicht von Oliver

Geboren bei 337.69 PPM CO₂. Vater. #Cloud-Freund. #Apple-User, aber auch #Linux-Geek! 🖤 und hört (Black-/ Death-/ Gothic- & Doom) #Metal. #Reisender. #Fotograf. #Blogger. #Selfhoster.